Braunschweig Gesellschaft Selbstbestimmung

Sperrbezirke – Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn?

Zum 45. Mal jährt sich dieses Jahr am 2. Juni der internationale Hurentag. Dieser erinnert seit 1976 an die Diskriminierung und Ausbeutung von Sexarbeitern. Seit 1989 wird auch bei uns dieser Gedenktag jedes Jahr aufs Neue ins Gedächtnis gerufen. [1]https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Hurentag

Heute – wie auch schon in den 1970er Jahren in Frankreich – wird die Ausübung von legaler Sexarbeit erschwert bis unmöglich gemacht. Damals setzten französische Strafverfolgungsbehörden Sexarbeiter wiederholt unter Druck und zwangen (damals vornehmlich) Frauen zunehmend im Verborgenen zu arbeiten. Dadurch entfiel der Schutz durch die Öffentlichkeit und führte zu vermehrten Gewalttaten bis hin zu Morden.

Die Verdrängung von legaler Sexarbeit passiert auch heute noch – mit der neuen Braunschweiger Sperrbezirksverordnung, die gerade erst in Kraft getreten ist. [2]https://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/nachrichten/sperrgebietsverordnung.php
Nachdem es im Stadtteil Gliesmarode 2020 massive und monatelange Anwohner-Proteste gegen ein geplantes Bordell gab, wurde seitens der Polizeidirektion Braunschweig im Einvernehmen mit der Stadt mit einer neuen Sperrbezirksverordnung reagiert. Mit Einführung sogennanter „Toleranzzonen“ werden nun legale Sexarbeiter gezwungen, ihre Arbeit nur noch in diesen Gebieten auszuführen – alle anderen Gebiete sind tabu. Lediglich die Bruchstraße und bereits vorhandene Betriebe in anderen Bereichen haben Bestandsschutz. Selbstbestimmte, legale Sexarbeit ist aufgrund von besonderen Bau- und Eigentumsrechten in Teilen dieser „Toleranzzonen“ aber faktisch nicht möglich.

Dies alles geschieht nur auf öffentlichen Druck hin, obwohl es in der Vergangenheit keine größeren Vorkommnisse oder Probleme mit angemeldeten Bordellen oder bordellartigen Betriebe in Braunschweig gab. Die in der Diskussion unterstellte Verknüpfung mit Begleitkriminalität lässt sich hier nicht belegen.

Mit der Sperrbezirksverordnung werden legale Sexarbeiter vor eine gewollte, künstliche Hürde gestellt,
die sie an ihrer Berufsausübung hindert – und das nur, weil einige Menschen nicht den Unterschied zwischen Zwangsprostitution und legaler, selbstbestimmter Sexarbeit kennen und Sexarbeit generell nicht in das Weltbild einiger Braunschweiger passt. Dabei muss jedem klar sein, dass es auch in unserer Stadt Kunden für derartige Angebote gibt und die Inanspruchnahme von legalen, sexuellen Dienstleistungen sich auch mit polizeilichen Mitteln nicht unterbinden lässt. Früher sagte man weltfremd dazu.

Um so wichtiger ist es also, weiterhin über legale Sexarbeit aufzuklären. Legale Sexarbeiter sind weder Objekte noch käuflich. Sie verkaufen eine Dienstleistung unter bestimmten, festgelegten Voraussetzungen und dies freiwillig und selbstbestimmt. Legale Sexarbeiter sind behördlich gemeldet, müssen sich alle 6 Wochen einer Gesundheitsprüfung unterziehen und haben Zugang zur Krankenversicherung und zahlen Steuern.
Daher ist es unabdinglich, eine legale, selbstbestimmte Sexarbeit strikt abzugrenzen von Zwangsprostitution und Menschenhandel. Zwangsprostitution und Menschenhandel sind Straftaten, die zurecht verfolgt und hart bestraft werden.

Mit dem Unternehmerverband Erotikgewerbe Deutschland (UEGD) und dem Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (BesD) – dessen Ziele die Entkriminalisierung, Entviktimisierung der Sexarbeit und die Stärkung der Rechte von Sexarbeitern gegenüber Politik, Kunden und Bordellbetreibern ist – haben Sexarbeiter seit 2007, bzw. seit 2013 die Möglichkeit sich besser zu vernetzen, sich zu ihren aktuellen Sachverhalten zu äussern und auch zu der politischen Situation Stellung zu nehmen. Ziel dieser Vereinigungen ist es, ein realistisches Bild von legaler Sexarbeit als professionelle Dienstleistung zu vermitteln, die Freiwilligkeit dieser Arbeit sicherzustellen und nicht daran gehindert zu werden.

Die neue Sperrbezirksverordnung reproduziert alte, lange widerlegte Vorurteile über legale Sexarbeit, diskriminiert und stigmatisiert Sexarbeiter und hindert sie an der freien Berufsausübung. Wir PIRATEN Braunschweig lehnen dies ab und fordern, die Sperrbezirksverordnung zurückzunehmen.

Einzelnachweise

Einzelnachweise
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Hurentag
2 https://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/nachrichten/sperrgebietsverordnung.php