Offline-Astroturfing bei der Braunschweiger CDU
Defizitärer Haushalt, zunehmend verfallende Schulgebäude, intransparente Politik. Willkommen in Braunschweig.
Der Aufstieg der Braunschweiger Eintracht in die 2. Liga und eine glänzende Schlossfassade (mit Einkaufszentrum im Kern) können eben nicht darüber hinwegtäuschen das etwas faul ist in der Stadt Braunschweig.
Ungünstig für die regierende CDU, die gerne wiedergewählt werden möchte.
Und so nimmt sie es auch nicht so genau mit der demokratischen Kultur und sucht ihr Heil in der PR. Auch von der verdeckten Art.
UPDATE Nach einem dritten Akt haben wir die CDU-Methoden hier nochmal zusammengefasst.
Akt 1: Die „Wahlanleitung“
Bereits letzte Woche wurden Braunschweiger Haushalte mit einem (absenderlosen) Werbepaket inklusive „Anleitung“ zur Briefwahl beglückt:
httpv://www.youtube.com/watch?v=CsZekOiAIBA
Etliche verwunderte Bürger riefen im Wahlamt an und erkundigten sich nach dem Grund der Wahlempfehlung für die CDU. Der erste Stadtrat Carsten Lehmann wandte sich daraufhin in einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit: „Dadurch, dass direkt unter der Anleitung die Adresse des Wahlamtes abgedruckt ist, könnte der Eindruck entstehen, die Stadt Braunschweig rufe dazu auf, CDU zu wählen. Dies tut sie nicht. Dies ist offensichtlich keine amtliche Information“
Einen Tag (und einen Appell der SPD an die Stadt, doch bitte Strafantrag zu stellen) später war die Sache für Herrn Lehmann dann glasklar: der Flyer stelle „weder unter wahlrechtlichen noch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten einen Verstoß dar„. Schließlich werde „nicht ohne Weiteres der Eindruck erweckt, diese Flyerseite stamme von der Stadt„.
Moment, Herr Lehmann, gestern fanden Sie doch noch ..?
Aber so ein paar mögliche Missverständnisse scheinen zumindest einige in der CDU nicht weiter zu stören. Und nur zufällig hatte man sich – wenn auch überhaupt nicht absehbar war, dass irgendjemand von irgendetwas irgendwie verwirrt sein könnte – vor der Aktion bereits „parteiintern abgesichert„.
Am Wochenende folgte nun Akt 2:
Akt 2: Die „Zeitung für Kommunalpolitik“
Die „Braunschweig extra – Zeitung für Kommunalpolitik – seit 1996“, die am Wochenende in rund 120.000 Braunschweiger Briefkästen gelandet, sieht gut aus. Ein bisschen dünn vielleicht, aber auf den 8 Seiten werden dem geneigten Leser immerhin Leitartikel, Interviews, Zitate von vermeintlichen Bürgern und sogar eine Anzeige der „Allianz für Braunschweig“ geboten.
Riechen tut das Blatt auch gut, druckfrisch nämlich. Genialer Spezialeffekt: je weiter man liest (und nachrecherchiert), desto stärker weicht der angenehme Duft der Druckerschwärze einem modernden Geruch: Astroturfing.
Astroturfing funktioniert so: Um fehlende Unterstützung seitens der Bevölkerung zu kompensieren, schmeißt man einfach mit Geld nach dem Problem. Und dichtet sich die Unterstützung einfach so herbei.
Wer es selbst erleben möchte, sollte hier pausieren und sich erstmal in die Lektüre des Blattes stürzen – es folgen Spoiler!
Was z.B. auf Seite 1 unter der Überschrift „SPD liebäugelt mit Linken und Bibs“ noch halbwegs harmlos und neutral beginnt, wird im Folgenden zur deutlichen Warnung vor der drohenden „Chaos-Mehrheit“ im Rat. Bloß nicht jenseits von Schwarz-Gelb wählen, denn das sind ja alles „Postkommunisten, […] Bibs-Rosenbaumtruppe […] zerstrittener SPD, […] Grünen-Fundis, Altkommunisten und Dauerprotestlern„.
Für Liebhaber feinsinniger Ironie hält „Braunschweig extra“ übrigens einige Leckerbissen bereit. So wird auf Seite 6 unter der Überschrift „Da macht Lernen Spaß – 210 Millionen Euro werden in Braunschweigs Schulen investiert“ das Public Private Partnership unreflektiert gepriesen. Als „Effekte von PPP“ werden „Innovation, Qualitätssicherung, Produktivität, Preiswürdigkeit“ ins Feld geführt. „Erfolgskurs fortsetzen!“, so heißt es.
Erfolgskurs? Schulen? Moment, da war doch was … Ach, richtig, letzten Freitag in der Braunschweiger Zeitung: „Decke in der Gaußschule eingestürzt„. Money quote: „Die Decke war erst vor eineinhalb Jahren im Zuge einer umfangreichen Sanierung eingezogen worden„. Kreativerweise scheint der Dienstleister Kunststoff- statt Aludübel verwendet zu haben. Blendwerk sozusagen. Wie beim Schloss vorgemacht: Aussen „Hui!“, innen „Ui??“. Dass uns hoffentlich nicht bald auch noch die Quadriga auf den Kopf fällt!
Gut, dass Peter Bayer „[…] zur Wahl [geht], damit der große Imagewinn Braunschweigs seit Dr. Hoffmanns Amtsantritt nicht wieder verpufft.“ Peter Bayer ist, so verrät es dann das Internet, Landesgeschäftsführer der CDU Braunschweig.
Imagegewinn. Schule. Hm.
Am Lessing-Gymnasium anno 2009 gab es keine Probleme mit herabstürzenden Decken. Wie denn auch?
httpv://www.youtube.com/watch?v=028rh_2E7hM
10 Kommentare zu “Täuschen, tricksen, tarnen”